Ingo Düllmann und Rainer Stöckl haben aus einer guten Idee ein starkes Geschäftsmodell gemacht. Sie bieten über ihre Marke Vice Golf hochwertige Golfbälle über den Online-Handel an. Der Weg über den klassischen Handel entfällt. Der Kunde muss dafür eine höhere Stückzahl abnehmen, zahlt aber deutlich weniger und erhält eine vergleichbar hohe Qualität.
Ingo Düllmann und Rainer Stöckl heißen die Gründer von Vice Golf. Die beiden Juristen lernten sich am Eisbach beim Surfen kennen und haben in wenigen Jahren eine erfolgreiche Golf-Brand auf den Markt gebracht. Das Geschäftsmodell geht so: Verschiedene Ballmodelle im Direktvertrieb über den Online-Handel an den Golfspieler bringen. Der Vorteil für den Kunden? Da der Zwischenhandel rausfällt, sind die Preise deutlich günstiger als im Fachhandel. Im Gegenzug müssen Kunden höhere Stückmengen als im normalen Handel bestellen, um den besten Preis zu erhalten. Für Golfer ist das jedoch kein Nachteil, denn Bälle werden nicht schlecht, man verballert sie nur zu oft. Neben verschiedenen Ballmodellen gibt es Kappen, Handschuhe und sogar ein eigenes Tragebag im Portfolio der Münchner.
Die Anfänge von Vice Golf liefen allerdings nicht immer so rosig. Besonders im Gedächtnis blieb dem kreativen Duo einer ihrer ersten Trips nach Asien, eine unterhaltsame Anekdote. „Wie bei allen Gründern waren wir am Anfang unserer Gründung immer knapp bei Kasse“, erzählt Ingo Düllmann. „Folglich versuchten wir, die maximale Leistung für den minimalen Einsatz zu erhalten. So auch bei Flügen und Hotels. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass wir damals einen Air-China-Flug von München nach Hongkong für nicht mal 400 Euro gebucht hatten. Dass es dann leider eine achtstündige Verspätung gab, war der Nachteil. Aber wir hatten Glück: Nach einer gefühlt ewigen Diskussion wurden wir auf einen Lufthansa-Flug umgebucht und es sprang sogar ein Business-Class-Upgrade heraus. Wir landeten also mit bester Laune in Hongkong, mussten dann aber feststellen, dass es unsere Koffer nicht geschafft hatten. Wir standen schließlich um halb Zwölf in der Nacht in Jeans und T-Shirt am Flughafen und hatten das Problem, dass wir am nächsten Morgen an einem Business Meeting teilnehmen sollten.“ Doch auch dafür fanden die beiden Gründer schließlich eine Lösung.
Anpassungsfähigkeit im Start-up ist wichtig
„Als Gründer muss du anpassungsfähig sein. Also haben wir das beste aus der Situation gemacht und um 1.30 Uhr auf einem Night Market noch einen Schneider gefunden, der uns Anzüge geschneidert hat. Allerdings waren wir zu euphorisch bei der Hemdenwahl: diese waren eingeschweisst in Plastikbeutel. Zurück im Hotel, das zwar sehr zentral lag, aber keinerlei Fenster hatte (dafür war es günstig), stellten wir fest, dass die Hemden vor lauter Chemie derartig stanken, dass an ein Anziehen eigentlich nicht zu denken war. Das Problem: Keine Wäscherei, kein Bügeleisen! Wir hängten unsere Chemiehemden in die angrenzende Dusche und hofften, dass der aufsteigende, heiße Wasserdampf die Arbeit erledigen würde. Da wir nun schon mehr als 24 Stunden unterwegs waren, wurden wir Opfer des Jetlegs und fielen in einen Tiefschlaf … Mitten in der Nacht wachten wir in einer Art Sauna auf. Ein Zimmer ohne Fenster hat eben doch so seine Tücken. Den Rest der Nacht verbrachten wir mit geöffneter Zimmertür“, berichtet Ingo Düllmann weiter.
„Der ganze Aufwand brachte allerdings nichts allzu viel. Am nächsten Morgen sahen die Hemden genauso aus wie zuvor und rochen auch noch so. Wir beschlossen dennoch, sie anzuziehen und zu unserem Termin zu fahren. Auf der Fahrt malten wir uns alle möglichen Szenarien aus, wie unsere asiatischen Partner reagieren könnten, doch mit einem hatten wir nicht gerechnet: Wir waren komplett overdressed und der erste Satz unserer Partner lautete: Warum seid ihr denn so förmlich gekleidet? Wir sind doch in der Sportbranche!“
Vice Golf – Werbung auf dem amerikanischen Golf Channel
Aber zurück zum eigentlichen Business. Statt 5 Euro für einen Top-Ball zu verlangen, bot Vice die Kugel plötzlich für rund die Hälfte des Preises an. Vice Golf war zu Beginn eine Art Geheimtipp unter deutschen Golfern. Dann ging es nach Schweden und auch in die anderen europäischen Länder, in denen Golf relevant ist. Mittlerweile ist die Marke auch ziemlich stark in den USA vertreten und schaltet sogar eigene Spots auf dem amerikanischen Golf Channel. Seit 2018 gibt es sogar einen Merchandising Deal mit der NBA. Vice hat im Vergleich zu den klassischen Golf-Brands wie Titleist, TaylorMade oder Callaway einen etwas anderen Design-Ansatz. „Wir sind jung und modern – und versuchen akribisch, unsere Qualitäts- und Design-Vorstellung so umzusetzen, dass wir voll hinter jedem Produkt stehen können, auch wenn das ab und an länger dauert, als wir uns das eigentlich wünschen. Wir haben sehr viele Brainstorming-Sessions und leben einfach unsere Brand. Ideen kommen von den verschiedensten Seiten tagtäglich, sodass diese nur noch gefiltert werden müssen“, so Ingo Düllmann, der zuvor für das Basketball-Label Kickz gearbeitet hat.
Die großen Hersteller wollten sich allerdings den florierenden Ballhandel nicht streitig machen lassen. Es kam sogar zur juristischen Auseinandersetzung. „Schon kurz nach unserem Start wurden wir von großen Mitbewerbern verklagt, die diese Strategie offensichtlich als Wettbewerbsmaßnahme einsetzen“, sagt Rainer Stöckl über die ersten Jahre. „Aufgrund unseres juristischen Backgrounds war dies aber für uns gut zu handeln. Vielen anderen Mitbewerbern ging es leider nicht so.“
Keine einfache Entscheidung: Exit aus dem Berufsleben
Beachtlich war aber auch der Wechsel ins Startup-Business. Beide Gründer standen mitten im Berufsleben, hatten interessante und gut bezahlte Jobs – und entschließen sich dennoch, ihren Gründertraum zu verwirklichen. Rainer Stöckl, der lange bei der Unternehmensberatung Roland Berger tätig war, kann verstehen, dass sich viele mögliche Gründer mit dieser Entscheidung schwer tun. „Den ‚Teufelskreis‘ des Angestelltendaseins zu verlassen, erfordert Courage und Mut, war im Nachhinein gesehen aber die beste berufliche Entscheidung, die wir jemals getroffen haben.“ Und wie sieht ein normaler Tag im Büro aus? „Ingo holt mich auf dem Weg zur Arbeit ab (lacht). Danach trinken wir im Office einen Tee, besprechen die anstehenden Tages- und Wochenaufgaben, haben gemeinsam Lunch und messen uns an der Klimmzugstange“, berichtet Rainer Stöckl, der mittlerweile einen Faible für das Burning Man-Festival in den USA entwickelt hat.
Buchempfehlung: Kopf schlägt Kapital
Ein Buchtipp von den Vice-Gründern Ingo Düllmann und Rainer Stöckl: „Wir haben zwar viele Bücher verschlungen, aber am Ende ist jede Gründung anders. Uns persönlich hat damals ‚Kopf schlägt Kapital‘ von Prof. Dr. Faltin inspiriert und einen Schubs in die richtige Richtung mitgegeben.“